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Illustration Felix Grundhöfer

Leuk

DER GEISSHIRT IM VANOISCHI


Wie es manchem Geiss- und Kuhhirten gern passiert, so ist es auch dem Geisshirten im Vanoischi beim Hüten ergangen. Den ganzen Morgen hindurch hatten ihm seine Schutzbefohlenen durch ihre Widerspenstigkeit viel Zorn und Verdruss verursacht. Müde legte er sich nun während der schwülen Mittagszeit unter eine weitästige Föhre, die Ziegen der Obhut seines Wachthundes anvertrauend. Gegen Abend trieb er seine Herde wohlgemut gegen Leuk zu. Doch sein Frohsinn schwand, als er im Geissstall in Leuk eine schwarze Ziege vermisste. Fast hätte es ihn gelüstet, das verlorene Tier seinem Geschick zu überlassen; doch der Gedanke, dass die Ziege die einzige Milchkuh eines armen Mütterchens war, bewegte ihn, sich noch am selben Abend auf die Suche zu begeben.

Er durchirrte rastlos den im Dunkel liegenden Pfynwald und die gespensterhafte Felsschlucht des Vanoischi, das verlorene Tier immerfort zärtlich bei seinem Namen rufend. Kein meckernder Laut ertönte als erlösende Antwort. In aller Angst begab er sich in raschen Sätzen auf den Heimweg. Da tauchte plötzlich mitten im Walde eine schwarzgekleidete Männergestalt auf, die dem Fliehenden den Weg versperrte und ihm schweigend zu folgen winkte. Willenlos und gelähmt vor Schrecken folgte der Geissbub der Erscheinung. Da plötzlich verschwanden Weg und Wald und Felswand und der Geisshirt stand mitten in einer geräumigen Halle. An prasselndem Feuer wurde gesotten und gebraten, finsterblickende Diener drehten den Bratspiess und feiner Bratenduft stieg dem Geissbuben in die Nase, doch ihn gelüstete nicht nach dem feinen Schmause; hastig wollte er durch eine gegenüberstehende Türe entweichen, doch er gelangte statt ins Freie in einen grossen, matt erleuchteten Saal.


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