Illustration Felix Grundhöfer
Kaum hatte er seinen Fuss wieder auf die Erde gesetzt, begann der Tanz in hell beleuchteter
Stube von neuem. Nochmals stieg er auf den Strauch und es wiederholte sich dieselbe
Erscheinung; wieder stierte er in die Leere, finstre Stube hinein. Etwas ärgerlich stieg er zum
zweiten Male vom Holunderstrauch herab und verliess den unheimlichen Ort. Kaum hatte er sich
einige Schritte entfernt, begann der Tanz zum dritten Male. Wild rasten die Hämmerchen über die
Saiten des Hackbrettes, schauervoll klang das Gestampfe und Poltern und geradezu unheimlich
gellte das Jauchzen und Johlen der übermütigen Tänzer und Tänzerinnen in die stockfinstere
Nacht hinaus. Ohne jemals rückwärts zu schauen, setzte der Wanderer seinen Weg fort, in
Gedanken immer wieder nachsinnend, ob dort eine wirkliche Tanzgesellschaft junger Leute
versammelt gewesen sei oder ob Geister einen Tanz aufgeführt hätten.
Bei der Kinbrücke setzte er sich nieder. Er wollte Gewissheit haben und dort das Tänzervolk
abwarten. Stunde um Stunde verrann. Um die Zeit, da gewöhnlich frühmorgens die Betglocke
geläutet wurde, hörte er von der Alpe Asche herauf den Zug der Tänzer und Tänzerinnen
herannahen. Immer näher klang die Tanzmusik, immer greller widerhallten die Jauchzer der
Tänzer und Tänzerinnen in der gegenüberliegenden Alpe Getjen. Schon war der Zug nahe am Kin.
Er glaubte, aus den Zügen noch lebender Jünglinge und Töchter die Züge der Ahnen zu erkennen.
Ganz sicher erkannte er aber keinen. Eben wollte er aufstehen und sich dem Zuge anschliessen,
da fuhr auf einmal die ganze Gesellschaft wie eine feurige Bissagga das Kin hinunter in die
Saltina.
Ein Schauder durchrieselte die Glieder des einsamen Wanderers. Es wurde ihm klar: Er hatte ein
Tanzvolk gesehen, das für verborgen abgehaltene Tänze büssen musste.